Teamtransformation und Führung

Transformationsbegleitung (3) 

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Woran Teams manchmal kranken und was sie zur Entwicklungsfähigkeit brauchen

Im Kontext meines Anliegens, sinnvolle tiefgreifende Veränderungen in Organisationen zu begleiten, beschäftige ich mich in den folgenden Artikeln mit Team-Transformation. Dabei geht es im ersten Schritt um tiefliegende Hindernisse in Teams, die durch gemeinsame Erfahrungen, genauer gesagt Führungserfahrungen entstanden sind. Meine Grundhypothese dabei ist, dass Teams bisweilen auch so etwas wie „Bindungstraumata“ erleben - oder im Gegenteil - gute Bedingungen für Teamresilienz erfahren.

In meinem Buch „Mut zu Inner Work. Die Hindernisse zur Transformation überschreiten“ widme ich dem Thema „Vertrauen“ ein ganzes Kapitel, weil aus neurowissenschaftlichen Gründen nachhaltige Entwicklung und Weitung von Möglichkeiten nur im Kontext einer tragbaren, durch Sicherheit und Vertrauen genährten Spannung möglich wird.

Was sind Bindungstraumata? Hier zunächst eine Beschreibung, die auf Individuen zutrifft.

Ein Trauma ist eine Erfahrung, die wir in dem Moment nicht verarbeiten können. Darum greifen wir zu kompensatorischen Mitteln. Wir finden einen Überlebensmodus – der eine Lösung beinhaltet, die jedoch uns einschränkt, weil wir das Trauma umschiffen müssen. Wir alle haben eine Idee von Schocktraumata einzelner Menschen: Plötzliche Todesfälle, Unfälle, die uns emotional überschwemmen. Naturkatastrophen, Krieg und andere lebensbedrohliche Ereignisse. Diese Ereignisse fallen jeweils auf die bisher ausgeprägte Resilienz. Und diese wiederum hat mit dem zu tun, wie wir innerlich ausgestattet sind aufgrund unserer früheren Bindungs- und Sicherheitserfahrungen. Die Bindungstheorie hat dazu einiges geforscht und unterschiedliche Bindungstypen zwischen sicherer und desorganisierter Bindung herausgearbeitet. Ein Bindungstrauma entsteht dann, wenn des Kindes Bedürfnisse nicht adäquat befriedigt werden. Dabei möchte ich betonen, dass es keinen Menschen auf Erden gibt, dem als Kind alle Bedürfnisse befriedigt wurden. Im Gegenteil – das Kind lernt nach und nach mit den Frustrationen umzugehen – aber eben nur, wenn es nicht überfordert ist. So gibt es in unterschiedlichen Lebensphasen Bedürfnisse nach Kontakt, Einstimmung, Vertrauen, Autonomie und Liebe (für Kenner: Die NARM® -Kernfähigkeiten nach Heller), die entweder in ausreichendem Maße gegeben wurden oder auch nicht.

Wie komme ich dazu, Bindungstraumata auf Organisationen zu übertragen?

Als erstes ist es meine persönliche Wahrnehmung in manchen Organisationseinheiten, die eine Parallele zu klassischen ungünstigen Identifizierungen nach Traumata nahelegt. Ich werde diese in den nächsten Blogeinheiten konkret im Hinblick auf Teams ausführen. Und es ist auch aufgrund der Kopplung und Anschlussfähigkeit von Psyche und sozialem System naheliegend: Es ist festzustellen, dass Organisationen und Personen sich häufig aufgrund von Ähnlichkeiten finden. Der sogenannte Affinity – Bias, das unbewusste Suchen nach dem Vertrauten z.B. im Bewerbungsprozess sorgt dafür. Das heißt, dass ich als Einzelne schaue, wie die Organisation „tickt“ – und ob das zu mir passt – ähnlich wie umgekehrt. Ist dann diese der Organisationsmentalität ähnliche Arbeitskraft erst im System, reproduziert sich mehr vom selben. In Teams stellt sich eine Gruppenmentalität, eine Art Matrix ein – auch im Hinblick auf den Umgang mit Krisen und Veränderung.

Ist Trauma nicht ein individuelles Phänomen?

Ich gebe heute ein paar Vorbemerkungen, um den Kontext und die Komplexität etwas auszuweiten. Denn: Die Übertragung eines individualpsychologischen Themas, welches sich in erster Linie auf dem familialen Kontext bezieht, auf Organisationen ist in dieser Schlichtheit unlauter. Die Resilienz von Teams und die Entwicklungsmöglichkeiten ausschließlich auf die Führungskraft zu reduzieren ebenso.

  • Führung ist immer zirkulär zu denken aus einem Zusammenspiel von Führungskraft und Mitarbeitenden. Führung ist somit eine Funktion und keine Person. Es gibt jedoch eine Führungskraft, die das Zusammenspiel steuert und die Aufgabe hat, Entscheidungen herbeizuführen. Insofern trifft auch die Mitarbeitenden immer einen Teil der Verantwortung.
  • Familie und Organisationen haben unterschiedliche Funktionen. Während es in Familien um lebenslange und darüberhinausgehende Verbindungen von Personen geht, ist die Funktion von Unternehmen eine sachlich betriebswirtschaftliche. Gleichwohl geht es in beiden Systemen um das Überleben – bei dem letztlich keines der Systeme ohne Person- und Sachorientierung auskommt.
  • In sozialen Systemen gilt es den Kontext und die Funktionsweisen der sozialen Bedingtheit zu beachten. Es ist völlig verkürzt, die Psyche einer einzelnen Führungskraft für die Resilienz eines Teams verantwortlich zu machen. Dennoch hat gerade eine Führungskraft formale Steuerungsmöglichkeiten, die ein einzelnes Teammitglied in der Form nicht hat.

Was es zu berücksichtigen gilt:

Wenn ich also in den folgenden Blogs das Konzept der Bindungstraumata auf Teams übertrage und damit stark die mit Führung gemachten Erfahrungen in den Blick nehme, dann habe ich dabei gleichzeitig im Kopf

  1. dass Mitarbeitende letztlich eine Aufgaben zu erfüllen haben, die ihrem Leistungsvertrag entsprechen.
  2. dass auch die Mitarbeitenden unter sich ein soziales System darstellen, welches Einfluss auf die Führungskraft und das Gesamtsystem hat,
  3. dass die Mitarbeitenden erwachsene Menschen sind und selbst Verantwortung für ihre Entscheidungen tragen,
  4. dass es immer diverse Möglichkeiten für jedes einzelne Teammitglied gibt: Wie z.B. love it, change it or leave it.

Es geht also wie immer darum, Anwältin der Ambivalenzen zu bleiben in der Beschreibung, Erklärung und Bewertung von Phänomenen und ihren Lösungen.

Individuen machen individuelle Erfahrungen und sind nicht ohne Grund in bestimmten vorgeprägten Teams. Teams machen kollektive Erfahrungen. Diese prägen die Kultur. Die Frage, die sich stellt ist: Ist die Kultur des Teams ausreichend vorbereitet auf gegenwärtige und zukünftige Herausforderungen? Welche Erfahrungen psychologischer Sicherheit hat es bislang gemacht? Gab es organisationelle Traumata, die Bindungstraumata gleich kommen? Und wie reagiere ich als Hüter oder Steuerfrau des Systems hilfreich darauf? Ich freue mich darauf, die einzelnen Kernfähigkeiten aus der Traumatheorie  mit Ihnen auf Teams bezogen durchzudeklinieren und hoffe auf Ihre Resonanz.

Voll Vertrauen😉… Ihre Andrea Hötger

Das Buch zu Inner Work:

Mut zu Inner Work. Die Hindernisse zur Transformation überschreiten.

Der Podcast dazu:

Lea Podcast mit Andrea Hötger und Christina Grubendorfer

Meine Inner-Work-Beratungen und Fortbildungen:

https://www.transformation-companion.de/

Zum Weiterlesen:

Volker Hepp: Drei Formen von Organisationstraumata. In: Hartung, Stephanie: Trauma in der Arbeitswelt. Springer Gabler 2018.

Alles von Laurence Heller zu Entwicklungstraumata.