3 Zutaten für eine zukunftsfähige Haltung
Experimentierfreude gehört zum Mindset der Zukunft. Wie Albert Einstein schon sagt: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“. Also brauchen wir neue Denk- und Arbeitsweisen, um die Herausforderungen der Gegenwart und für die Zukunft anzugehen. Angeregt durch die Lektüre des Buches „Zuversicht. Die Kraft der inneren Freiheit und warum sie heute wichtiger ist denn je“ von Ulrich Schnabel, gehe ich dieses Thema etwas literarisch an. Wie kommen wir zu jener Experimentierfreude? Ein „Sei kreativ“ bringt wohl niemanden ans Ziel. Ich habe drei Zutaten ausgewählt, die hilfreich sind, um diese zukunftsweisende Fähigkeit an den Tag zu legen.
1. Sinn-volle Zukunftsbilder
„Wer ein Warum zum Leben hat, verträgt fast jedes Wie.“ sagt Viktor Frankl, der Begründer der Existenzanalyse, der vier Konzentrationslager überlebte. Nun können wir unsere Situation wohl kaum mit einem Konzentrationslager vergleichen, aber tatsächlich ist es in der Regel auch bei uns Angst, die uns davon abhält, Neues zu wagen. Angst vor dem Ungewissen, vor den Folgen der Handlung. Die große Frage nach dem „Why?“, dem Sinn, hingegen treibt uns in allem an. Als Systemikerin frage ich gern: „Angenommen, dieses Projekt ist bereits abgeschlossen. Es ist zu einem für Sie wirklich sinnvollen Ergebnis gekommen. Woran erkennen Sie das? Woran erkennt das Umfeld das? Und woran noch?...“. Positive Zukunftsbilder bekommen wir – so paradox das scheinen mag, oft am ehesten durch einen Blick in die Vergangenheit. In der Beratung ist das meine Strategie: Wenn jemand bei der Zukunft nicht andocken kann, gehe ich in die Vergangenheit. „Was wollten Sie immer schon mal tun?“, „Erinnern Sie sich an ihre Jugend – was waren da Ihre Ziele?“ oder „Wie haben Sie das damals geschafft, was hat Ihnen die Kraft gegeben, das auszuhalten?“, „Was hat Sie damals angetrieben?“. Letztlich kann niemand voraussagen, ob das, was wir tun, Erfolg haben wird. Václav Havel, tschechischer Dramatiker, Essayist, Menschenrechtler und Politiker, war während der Herrschaft der kommunistischen Partei einer der führenden Regimekritiker der Tschechoslowakei. Er ist einer der Wegbereiter der deutsch-tschechischen Aussöhnung. Er ist mutig seinen unkonventionellen Weg gegangen. Er hat das Wort geprägt: „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn macht, egal, wie es ausgeht.“ Wenn es für uns sinnvoll ist, Zukunft mitzugestalten, dann ist das ein guter Antreiber, um sich auf Neues einzulassen und zu experimentieren. Was wir dazu brauchen ist Mut.
2. Mut
Martin Walser hat den wunderschönen Text „Mut“ geschrieben, dessen Lieblingszeile für mich heißt: „Dem Gehenden schiebt sich der Weg unter die Füße.“ Martin Walser ist dafür bekannt, gerade den Antihelden in seinen Geschichten klar zu zeichnen, seine Ambivalenzen, die Stärken und die Schwächen herauszuarbeiten. Und seien wir ehrlich: Die positive Psychologie, die den Optimismus an oberste Stelle setzt, lässt Teile der menschlichen Realität aus. Bei aller Anerkennung der Mechanismen der sich selbst erfüllenden Prophezeiung gibt es auch Grenzen des Optimismus. Ein übertriebenes „Mir/uns kann nichts passieren!“ führt zur Unachtsamkeit. Ängste haben eine gesunde Bedeutung. Ulrich Schnabel schreibt von der „Optimistische Verzerrung“ oder wie die Psychologie sagt „optimism bias“ und führt letztlich die weltweite Finanzkrise von 2008 darauf zurück, dass die entsprechenden Player die möglichen Gefahren aus dem Blick verloren. Ferner lassen Ängste sich nicht austricksen. Sind sie da, lassen sie sich nicht einfach zur Seite drücken. Sie wollen gewürdigt sein – selbst wenn Sie unrealistisch und übertrieben sind. In der Beratung hilft mir an dieser Stelle jegliche Form der Teile-Arbeit; sei es das Innere Team oder Ego-States. Die Arbeit mit Teilen hilft, die Ängste in einem Gesamtkontext von anderen Stimmen zu sehen, sie hilft, den Kunden/die Kundin selbst als Regisseur*in der Teile zu erleben und sie hilft, der Angst in die Augen zu schauen und ihr einen passenden Platz zuzuweisen. So kann neues Vertrauen in die nächsten Schritte gewonnen werden. Die Ängste können auf das gesunde Maß geschrumpft werden, so dass der Mut die Oberhand gewinnt. Der die Angst würdigende Frage „Was könnte schlimmstenfalls passieren?“ sollte die Frage nach der Alternative entgegengestellt werden „Was passiert, wenn nichts passiert?“, ldenn nicht zu handeln hat ebenfalls Auswirkungen. So beschreibt Ulrich Schnabel eindrücklich, dass wir den Mut zu Ungewissem brauchen, denn die Zukunft lässt sich nicht berechnen. Wenn wir nur auf die Erfahrung vertrauen, haben wir die Faktoren der Zukunft nicht mitbedacht und liegen oft falsch. Wir brauchen den gesunden Optimismus. Doch wir kommen nicht umhin, uns auch der Möglichkeit des Scheiterns zu stellen. Um mit dieser Möglichkeit umzugehen, brauchen wir Gelassenheit.
3. Gelassenheit
„Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden“. Dieses bekannte „Gelassenheitsgebet“ des amerikanischen Pfarrers Reinhold Niebuhr aus der Zeit des zweiten Weltkriegs zeigt auf, dass auch die Hinnahme von Unveränderbarkeiten ein aktives und wirkungsvolles Tun ist, denn es beruht auf einer Entscheidung. Wenn also ein Versuch zu etwas gescheitert ist – in der Regel handelt es sich um Teilbereiche eines Projektes während andere Teile, die sehr wohl wertvoll waren – dann gilt es als erstes dazu zu stehen. Wir brauchen eine gute Kritikfähigkeit, um nicht gelungenes beim Namen zu nennen. Mit dem Benennen kann es losgelassen werden und bindet keine Energie mehr. Dazu gehört allerdings ein Mindset der Fehlerfreundlichkeit. Unter der Prämisse der Kontinuierlichen Verbesserung, in denen in iterativen Schleifen der Retrospektive sachlich aussortiert wird, was funktioniert und was nicht funktioniert, ist diese Grundhaltung bereits gegeben. Die Möglichkeit zum Fehler ist bereits mitgedacht, weil „Diejenigen, die keine Fehler machen, machen den größten Fehler. Sie versuchen nichts Neues.“. Es gilt also loszulassen vom Mindset der Perfektion und Fehlerlosigkeit und es gilt immer wieder loszulassen von dem Bild, welches man für die Lösung hielt. „Versuch und Irrtum“ ist die Devise. Was dazu gehört, ist das Zulassen von Unsicherheit in der Sache. Es kann passieren, dass es gelingt und es kann passieren, dass es nicht gelingt. Um dieses aushalten zu können, braucht es die sogenannte psychologische Sicherheit[1]. Von einem amerikanischen Manager erzählt man sich folgende Geschichte: Ein Angestellter nähert sich dem Manager mit gebeugtem Haupt und in der Erwartung, fristlos gekündigt zu werden, weil er dem Unternehmen durch einen „Fehler“ Millionen gekostet hat. Der Manager: „Sie glauben doch nicht etwa, dass ich Sie jetzt entlassen werde, wo ich doch gerade ein Vermögen in Ihre Ausbildung gesteckt habe.“ Mit dieser Gelassenheit ist eine wesentliche Grundlage für Experimentierfreude geschaffen.
P.S.: Experimentierfreude ist außerdem Grundlage für Digitalkompetenz. In der Zusatzqualifizierung zu Online-Supervision/Coaching arbeiten wir nicht zuletzt an Haltungsänderungen für die digitale Welt. Nähere Infos finden Sie auf der Website unter dem Reiter „Fortbildung“.
[1] Siehe auch Blog „Mit Sicherheit durchs Ungewisse“