Was das Immunsystem von Unternehmen stärkt (Teil 2)

Fire-Modell ResilienzLernen von langlebigen Organisationen

Im spannenden zweiten Teil des Buches „Die resiliente Organisation“ von Karsten Drath recherchiert er Schutz- und Risikofaktoren anhand unterschiedlicher Organisationstypen. Er beginnt mit dem – man wundert sich - organisierten Verbrechen. Einen wichtigen Faktor neben anderen stellt hier die starke Identifikation dar – die Mafia als Ersatzfamilie. Zugehörigkeitsgefühle und die hohe Verbundenheit untereinander fördern das lange Überleben nicht nur solcher Organisationen. 

Weiter lenkt er den Blick in die ältesten Unternehmen der Welt. Auffällig ist hier, dass die überragende Mehrheit weniger als 300 Mitarbeiter haben und eher konservativ wirtschaften. Die nächste Sparte, die er untersucht sind die High Reliability Organizations. In diesen hochsensiblen Organisationen, wie z.B. Flugzeugträgern oder Krankenhäusern, ist es besonders wichtig, Fehler wahrzunehmen, um aus ihnen zur weiteren Optimierung lernen zu können. Besonders erfolgreiche Unternehmen zeichnen sich nicht zuletzt durch den Sowohl-als-auch-Ansatz – ich nenne es Paradoxiemanagement – aus. Selbstbestimmung und Selbstorganisation bei gleichzeitig regelmäßiger Reflexion der Arbeit hingegen sind wesentliche Schutzfaktoren in agilen Unternehmen. Als letzten Typ schaut Drath auf achtsame Organisationen, die insbesondere durch eine sichere Struktur und gemeinsame Rituale geschützt sind. Aus all den Recherchen resümiert er einerseits allgemeine Resilienzprinzipien und andererseits spezielle Resilienzprinzipien für die Organisationsformen nach Laloux.

Das FiRE - Modell

Aus all den Erkenntnissen folgt nun das eigentliche Resilienzmodell, wie es im Foto dargestellt ist. Auch wenn es mir für die alltägliche Handhabbarkeit etwas zu komplex erscheint, ist es für eine gründliche Diagnose tatsächlich sehr aufschlussreich, wie nicht zuletzt in der Schilderung der vielen Beispiele deutlich wird. Die sechs Manifestationen, in denen sich die Resilienz abzeichnen können (Textur, Energie, Einsicht, Emergenz, Momentum und Intention) werden durch die jeweilige Kontaktflächen durchbuchstabiert. Das sind die drei Flächen „Individuum-Umfeld“ (hier ist das Umfeld des Individuums gemeint), „Umfeld-Organisation“ und „Organisation-Kontext“. Allein an dieser Anlage des Konzepts wird deutlich, dass hier resiliente Organisationen weit mehr sind als Organisationen mit resilienten Mitarbeiter*innen.

Momentum - eine exemplarische Ebene

Ein Beispiel greife ich in diesen Tagen gern heraus: Die Ebene „Momentum“. Ich übersetze den etwas sperrigen Begriff gern mit „Ausrichtung“. Wörtlich heißt er „Schwung“ oder „Stärke einer Bewegung“. Auf der Ebene der der Fläche „Individuum – Umfeld“ kommt der Elan aus der Selbstwirksamkeit, die Mitarbeiter*innen erfahren, wenn sie Verantwortung für ihre Arbeit übernehmen. Auf der Fläche „Umfeld-Organisation“ geht es um eine „Umsichtige Führung“, bei der Vertrauen eine wesentliche Rolle spielt. Genau die wird in der aktuellen Situation besonders benötigt. Drath vergleicht hier ausführlich zwei Unternehmen miteinander, die sich im Hinblick auf die Qualität der gelebten Menschenführung deutlich unterscheiden bzw. unterschieden haben: Die Drogerieketten dm und Schlecker. Eine Erfolgsgeschichte und ein bitterer Untergang. Auf der Fläche „Organisation – Kontext“ geht es auf der Ebene „Momentum“ um eine strategische Ausrichtung“, um eine Passung zwischen Innen und Außen, zwischen Angeboten und Möglichkeiten des Unternehmens und der Bedarfe und Entwicklungen auf dem Markt. Dies lernen wir Berater*innen in den jetzigen Zeiten, in denen wir flexibel reagieren und z.B. unsere Produkte soweit wie möglich digital anbieten.

Resümée zum Buch

Alles in allem ist das Werk „Die resiliente Organisation“ von Karsten Drath als Handbuch sehr empfehlenswert. Das FiRE-Modell ist als Ganzes zu betrachten, alles andere kann auch nach persönlichem Interesse nachgeschlagen werden. Mir gefallen einerseits die stringente Logik und die wissenschaftlichen Hintergründe des Werkes. Das Neue liegt für mich in der konsequenten Ausweitung des Begriffs Resilienz über individuelle Faktoren hinaus. In diesen Zeiten habe ich zudem auch die Muße für den Erkenntnisweg zum Modell, durch den ich die Geschichte vieler Organisationen kennen lernen konnte.