Inner Work

... der Weg zu mehr Möglichkeiten.

Transformationsbegleitung (2) 

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Da ist etwas geschlossen. Da ist ein Deckel drauf. Aus gutem Grund. Aus Erfahrung. Doch sind wir lebendiger und spielfähiger mit mehr Weite. Wie Inner Work uns aus der Enge führen kann, wie Souveränität und Resilienz als Individuum wie als Organisation durch das Bewusstsein eines großen Spielfeldes von Möglichkeiten entwickelt werden kann - selbst oder gerade, wenn wir uns im Nebel wähnen - darum geht es ansatzweise in diesem Blog.

Der Blick auf das Individuum

Gern schaue ich als mittelalte Frau auf die Entwicklung innerer Anteile, meiner Haltung zum Leben. Das Leben wird immer reicher und lebendiger. Das ist meine Wahrnehmung, mein Erleben. Und das, obgleich meine Weitsicht immer mehr zunimmt, immer öfter mal körperlich was zwickt, gesellschaftliche existenzielle Herausforderungen immer näher rücken und spürbar werden.

Die innere Freiheit wird immer größer. Es heißt nicht, dass ich jeden Tag gut drauf bin und Lösungen für alle Probleme parat habe. Es heißt jedoch, dass ich freier bin, mich selbst und meine Bedürfnisse und Impulse wahrzunehmen – und ich in der Lage bin, darauf zu schauen, WIE ich mich und meine Mitmenschen und die Kontexte gerade wahrnehme. Das heißt, wenn ich gerade mal jammere, dann kommt ziemlich bald der Impuls, darauf zu schauen, WIE ich gerade schaue: Ah – ich schaue gerade jammernd auf die Welt. Da fühlt sich was eng an. Das kenne ich – es kommt daher aus alten Zeiten, als ich noch klein und abhängig war. Ich schaue dann auf das Jammern und bin dadurch schon in mehr in Distanz dazu. Und schon bin ich nicht mehr das Jammern selbst, sondern das Jammern ist ein Teil von mir, mit den ich ins Gespräch kommen kann. Was will mir das Jammern sagen? Und was mache ich jetzt damit? Und dann kann ich mir überlegen, ob ich noch was zum Trost brauche, bevor ich aktiv mit der Situation umgehen. Ich entscheide, wie ich das mache. Diese innere Freiheit ist es, die ein wunderbares Erleben ist. Ich muss nichts. Ich muss weder jammern, noch muss ich gut drauf sein. Ich nehme wahr, was ist – und das nicht nur auf meiner Seite, sondern auch was mit meinen Mitmenschen und in meinem Kontext los ist. Dieser Gewinn kommt durch innere Arbeit - immer mal wieder auch begleitet durch besondere Gefährten. Durch Supervision, Reflexion, Journaling, Innehalten usw..

Im Alter von 23 Jahren schrieb ich meine Diplomarbeit im Bereich der Feministischen Theologie. Sie heißt „Wer bist Du, dass Du mich befreien kannst? Frauen auf der Suche nach lebensförderlichen Bildern vom Göttlichen“

Wenn ich das heute so lese, dann denke ich, dass ich damals auf jeden Fall davon ausging, dass jemand anderes mich befreit. Das Göttliche. Es war formuliert aus der Perspektive der eher Hilflosen. Und das Ziel war für mich damals – und das ist es auch noch heute – dass das Lebendige gefördert wird. Wahrscheinlich hatte ich schon damals auch die innere Freiheit im Blick – mehr jedoch die äußere. Ich hatte die Realität in jedem Fall für mich so organisiert, dass das Patriarchat den größten Teil meiner Unfreiheit ausmacht.

Heute erkenne ich an, dass wir in einer Gesellschaft voller Ungleichheiten leben. Ich bin eine Frau – mit all den daran geknüpften Erwartungen - und im Hinblick auf männliche Domänen durchaus mit Barrieren gespickt – jedoch eine der priviligierten Frauen. Entscheidend für das Lebensförderliche ist jedoch die innere Freiheit, mein Leben immer freier von Identifikationen, immer reifer zu gestalten. Im letzte Blog ging es um das Wort „muss“ … ich schaue lieber darauf, was mein Bedürfnis in der Ausgewogenheit von Individualität und Verbundenheit ist – und schaue, wie ich dahingehend wirksam sein kann. Dazu braucht es Inner Work. Arbeit am Inneren. An den eigenen Identifikationen, Glaubenssätzen, Delegationen und Loyalitätsbindungen. Dazu braucht es eine Position, aus der heraus ich diese Betrachten kann und wie ich mich dazu verhalte.

Der Blick auf die Organisation

Auch wenn der Ausgangspunkt für mein Erleben ein individueller ist, so habe ich doch ebenso die Erfahrung gemacht, wie sehr sich auch soziale Systeme zu mehr Freiheit, mehr Möglichkeiten transformieren können. Dazu gilt es in erster Linie, alte Überlebensstrukturen und Identifikationen loszulassen. „Jedes Verhalten ist ein Lösungsversuch“ sagen wir. So steht es auch mit jeder Kultur in Organisationen, die sich entwickelt hat. Und es stellt sich die Frage: „Wozu ist diese Kultur ein Lösungsversuch?“. Was ist das wahre Anliegen darunter?

So forsche ich Organisationen nach Narrativen, Normen, ungeschriebenen Gesetzen und Werten, die zu Ideologien geworden sind. Was „muss“ hier so sein? Da Organisationen als Systeme auch in erster Linie bezwecken zu überleben, können wir auch hier – ähnlich wie bei Individuen - von Überlebensmustern und -strukturen sprechen, die sich aus gutem Grund herausgebildet haben. Während ich mich gerade mit Entwicklungstraumata (Laurence Heller – NARM®) beschäftige, lege ich direkt die Frage nach Organisationstraumata (Volker Hepp; Marion Lockert) daneben – und finde dort auf völlig anderer Theoriegrundlage das wieder, was ich in meinem Buch durch die Habitustheorie oder Organisationale Mythen beschrieben habe. Die Organisation reduziert sich, macht sich möglicherweise resonanzblind - sowohl für eigene Potentiale und Bedürfnisse als auch für die wahren Bedürfnisse in der Kundschaft oder Gesellschaft - während sie sich in brisanten Situationen durch eine bestimmte Haltung auf das Überleben fokussiert hat oder fokussiert. In bestimmten Milieus von Organisationen sind oftmals diese Identifizierungen schon historisch vorgeprägt.

Und so geht es auch in Organisationen bei tiefgreifenden Veränderungen um ein größeres Maß an Freiheit. Um dahin zu kommen, geht es auch hier darum, die alten „Überlebensmechanismen“ aus einer anderen Perspektive anzuschauen – um dann eine neue Weite zu erlangen, die auch andere Handlungsmöglichkeiten enthält.

Ich erlebe, wie wichtig das Buch und der Ansatz von Inner Work für mich ist - und wie sehr es der Grundstein ist für weitere Überlegungen und Verdichtungen – und natürlich für meine Beratungen und Fortbildungen. Eine große Neugierde und ein Forschungsdrang und ein Interesse an den Menschen und ihren Arbeitssystemen lässt mich unermüdlich weiter daran arbeiten, hilfreiche möglichkeitserweiternde Perspektiven zu schaffen. Es geht dabei um so viel mehr als um zielorientiertes Coaching oder um einen rein auftragsbezogenen Strategieworkshop. Es geht immer auch um die Frage: Aus welcher „Wahrheit“ heraus, sieht mein Kunde dieses Ziel für zielführend? Und: Was ist das Bedürfnis hinter der Strategie? Und: Wie schaffe ich es, mit meiner Kundschaft in einen solchen Kontakt zu kommen, dass das Neue ermöglicht wird.

Wenn ich nun auf den Titel meiner alten Diplomarbeit schaue, so kann ich nach wie vor viel mit einer "spirituellen" also eher "über-materiellen" und "übersummativen" Dimension einer solchen Möglichkeitserweiterung anfangen. In meinem Buch spreche ich von der „Unverfügbarkeit“ solcher Prozesse und subsummiere meine Gedanken unter dem Thema „Weisheit“. Das beinhaltet für mich, dass neben aller Prozessplanung Raum bleibt für genau die Punkte, an denen sich das System für das „Mehr“ an Möglichkeiten öffnet.

Manche nennen das Reife.

Soweit ... heute mal wieder sehr persönlich - Ihre Andrea Hötger

Das Buch zu Inner Work:

Mut zu Inner Work. Die Hindernisse zur Transformation überschreiten.

Der Podcast dazu:

Lea Podcast mit Andrea Hötger und Christina Grubendorfer

Meine Inner-Work-Beratungen und Fortbildungen:

https://www.transformation-companion.de/

Zum Weiterlesen:

Volker Hepp: Drei Formen von Organisationstraumata. In: Hartung, Stephanie: Trauma in der Arbeitswelt. Springer Gabler 2018.

Alles von Laurence Heller zu Entwicklungstraumata.