Führen mit neuer Autorität
Als sich vor 5 Monaten unser wenn auch nicht ruhiges aber dennoch relativ sicheres Gewässer in einen Tsunami verwandelte, riefen die Mitarbeitenden lauter denn je nach dem Kapitän. Trotz der Agilität der Teams und ihrer Selbstorganisation mussten nun wesentliche Entscheidungen getroffen werden, damit das Schiff gut auf den Wellen gehalten werden konnte – und immer noch gehalten werden muss.
Drei Maßnahmen für die psychologische Sicherheit:
Präsenz
Der Kapitän muss in spürbarer Nähe sein – es darf auf dem Schiff nicht das Gefühl entstehen, auf der Costa Concordia zu sein. Der Kapitän bleibt auf dem Schiff. Auch auf Distanz gibt es viele Möglichkeiten, sich präsent zu zeigen: visuell – per Video; auditiv – per Telefon; schriftlich – per Mail und Chat – und das alles auf der Sach- und Beziehungsebene. Da-sein bedeutet auch, den anderen mit seinen Möglichkeiten wahrnehmen und ihn entsprechend zu fördern oder zu fordern. Die höchste Identität mit dem Schiff bleibt dann erhalten, wenn die Teammitglieder wissen, was sie zu tun haben: Es stärkt das Wir-Gefühl, wenn jeder etwas in der Krise beisteuern kann.
Transparenz
In akuter Gefahr muss ich als Kapitän schnell entscheiden und kann ggf. keine langwierige Teamentscheidung herbeiführen. Gerade dann braucht das Team eine Transparenz darüber, warum die Segel gestrichen, der Anker geworfen wurde. Und – vielleicht hätte man auch anders entscheiden können. Zur Transparenz gehört auch eine gute „Aus-Fehlern-Lern-Kultur“, mit der das ganze Team sich kontinuierlich verbessert und das Vertrauen zwischen Kapitän und Mannschaft gestärkt wird.
Klarheit und Deeskalation
Immer die Ruhe bewahren. Sicherheit gibt ein guter Kapitän mit einer guten emotionalen Selbststeuerung - selbst in Stresssituationen. Angsterzeugendes Verhalten wie Drohungen und „Außer-sich-sein“ bringt Mitarbeitende in die Regression. Klare Ansagen, wo nötig, um Halt zu geben, widersprechen dem überhaupt nicht – aber alles in Ruhe. In Zeiten der Unsicherheit brauchen wir das Gefühl, in Kontakt zu sein – keine Abweisung oder Abwertung. Das Gegenteil von „Außer-sich-sein“ ist „In-sich-sein“ oder „In-sich-ruhen“.
Und wie werde ich ein besserer Kapitän?
- Perfekt ist niemand. Aber den Anspruch, so gut wie möglich zu sein, sollte ich als Kapitän dennoch haben. Also: Zu Fehlern stehen, reflektieren und lernen und mir die Möglichkeit zur Wiedergutmachung geben – genau wie ich meiner Mannschaft dies gewähren sollte.
- Der Weg führt nur darüber, erst einmal sich selbst gut zu führen: bewusst und achtsam; mit Neugier, Motivation für die Ziele und der nötigen Selbstsorge.
- Dies geschieht mit der Hilfe vieler möglicher Instrumente und vor allem durch Reflexion – der Königsdisziplin der Supervision - die anzuleiten ein guter Ausbilder und Coach beherrschen sollte.
Liebe Kapitäne – pardon – Führungskräfte, ist es gerade schwierig auf See oder mit dem Team? Sie könnten sich Begleitung holen…
Quellen/zum Weiterlesen:
In erster Linie beziehe ich mich auf
Baumann-Habersack, Frank: Mit neuer Autorität in Führung. Die Führungshaltung für das 21. Jahrhundert. Springer Gabler 2017
Zu meinem theoretischen Hintergrund für systemische Führung gehört unbedingt das „Dschungelbuch der Führung“ von Ruth Seliger.
Zum Thema „Psychologische Sicherheit“ schreibt Amy Edmondson in „Die angstfreie Organisation“, in deutscher Sprache in diesem Jahr bei Vahlen erschienen.
Foto: Pixelio - sokaeiko