Lebendiger Stolz

Zukunftskompetenzen: Eine Reihe über Kompetenzen und Haltungen für ein sinnvolles Arbeiten und Leben in einer komplexen Welt (8)

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Stolz ist ein sehr vorbelastetes Wort. Ähnlich wie Macht. Beides wurde in der Vergangenheit und wird auch in der Gegenwart missbraucht. Ich möchte jedoch eine Differenzierung herstellen, die die Kraft des Wortes Stolz in den Vordergrund bringt, damit durch einen lebendigen Stolz innovative Ideen in die Welt kommen - auf der Grundlage von Verbundenheit.

Auf das Thema Stolz bin ich durch das Buch über narzisstische Nöte von Klaus Eidenschink gekommen. Schon vorher habe ich jene Berührungsängste mit dem Thema und dem Wort bei mir gespürt, da ich christlich erzogen, Stolz als eine der 7 Todsünden kannte: Hochmut. Und „Hochmut kommt vor dem Fall“ war in mir tief eingeprägt. Lange habe ich das Wort gemieden und das Gefühl, was dem vielleicht nahe kommen könnte „tiefe strahlende Freude“ genannt. Ich brauchte für mich nun eine neue klare Definition, um mit dem Thema weiter zu kommen und hörte auch Klaus Eidenschinks Vortrag über Stolz (in seinem Institut zu beziehen) – und siehe da, ich bekam endlich ein Bild davon, dass Stolz noch mehr sein kann – und dass lebendiger, gesunder Stolz wichtig ist für eine ko-kreative Gestaltung der Zukunft.

Eidenschink unterscheidet vier Stufen von Stolz:

Der Stolz auf das, was sich in mir regt

Die erste Stufe ist eine, für die ich nur in der Entstehungsgeschichte ein Gegenüber brauche – ansonsten kann ich diesen Stolz mit mir ganz allein erleben. Da geht es um das eigene Spüren dessen, was ich bin, was in mir ist. „Ich bin stolz auf all das, was sich in mir regt.“ Das können Gedanken und Gefühle und alle Eigenarten sein. Es ist eine Resonanz auf sich selbst und das eigene Erleben. Ich persönlich spüre dieses sehr, wenn sich in mir Erlebnisse mit Theorien verknüpfen, ein neuer Gedanke an etwas Bestehendes anknüpft und neue Gedanken hervorruft oder ich ein starkes Gefühl in mir spüre und dieses Einordnen kann. Es kann auch das eigene Entstehen kann dieser Stolz durch frühere Resonanzerfahrungen durch ein Gegenüber, welches mir vermittelt: Du bist liebenswert mit dem wie Du bist.

Der Stolz, der sich zeigt

In der zweiten Stufe kommt der Teil dazu, dass ich mich mit meinem Sosein zeige. Ich nehme mir den Raum, und sage „Schaut her – das ist Meins!“. Das kann ich tun, wenn ich genügend Selbstachtung und Selbstvertrauen habe, dass das Eigene weder durch Abwertungen und Beschämungen noch durch Ingnoranz vernichtet wird, sondern wertvoll ist.  Wenn man den Eindruck hat, gesehen und gehört zu werden. Dieser eigene Eindruck ist wiederum sehr stark geprägt durch die früheren Resonanzerfahrungen, die mir zeigen: „Dein Sosein ist bereichernd und erwünscht.“. Eidenschink spricht von der Erfahrung des „Glanzes in den Augen der Eltern“.

Der kraftvolle Stolz, der sein Bestes gibt

Die dritte Stufe geht noch einen Schritt weiter. Ich bin nicht nur einfach stolz auf das, was ich bin, sondern in mir stecken viele Möglichkeiten, die ich mit Kraft noch weiterentwickeln und in die Welt bringen kann. Wenn ich damit in Konkurrenz zu anderen gehe, dann bringt mich das nicht aus der Beziehung, aus der Verbindung – sondern diese Kraft und das, was ich entwickele, ist auch mit geteilter Lebensfreude verbunden. Ich strenge mich an, weil ich davon überzeugt bin, dass ich etwas zu bieten habe. Dazu benötige ich eine Selbstbehauptung, die zu sich selbst steht – ohne andere abzuwerten. Es geht darum, das eigene voll zur Meisterschaft zu bringen – ohne jedoch zu vergessen, dass ich ein Mensch in Begrenzung bin und bleibe.

Der narzisstische Stolz

Von diesen drei Formen des Stolzes ist die vierte Stufe abzugrenzen. Diese beinhaltet das Gefühl der Großartigkeit, welches eine Kompensation auf mangelnde Resonanzerfahrungen darstellt. Ich bin dann nicht mit mir und auch nicht mit anderen in Verbindung – habe aber sehr wohl im Blick, wie andere auf mich reagieren. Ich mache mir ein Bild von einem Ideal, welches ich mit hoher Anstrengung versuche zu verwirklichen, um die eigene Leere in mir zu überdecken. Mir fehlen die Resonanzerfahrungen auf mein Sosein. Ich habe entweder gar keine (Ignoranz) bekommen oder aber wurde ich manipuliert, wie ich zu sein habe, um den Eltern zu gefallen. Man könnte auch sagen ich wurde als Verlängerung für das Ego der Eltern missbraucht. Daraus folgt die mangelnde Verbindung mit sich selbst und dem Gegenüber, die in dieser Form des Stolzes zum Ausdruck kommt.

Ich persönlich würde dieses nicht als vierte Stufe einordnen, weil es keine Steigerung der anderen Formen ist. Für mich ist diese Form entweder von den anderen zu separieren – allenfalls als Stufe 0 einzusortieren, da hier die Not nach Verbindung wie bei einem Neugeborenen zum Ausdruck kommt - doch das nur am Rande.

Ko-kreation durch Anstrengungs- und Konkurrenzbereitschaft in Bezogenheit

Mir geht es in diesem Blog darum, was wir meines Erachtens für die Zukunft brauchen, und das ist vor allem die Stufe drei des Stolzes. Um ko-kreativ das volle Potential miteinander teilen zu können, brauchen wir Menschen, die kraftvoll ihre eigenen Möglichkeiten mit Anstrengungsbereitschaft weiterentwickeln und damit zwangsläufig in Konkurrenz gehen. Konkurrenz heißt soviel wie „miteinander laufen“ – und darin wird deutlich, dass es Konkurrenz kein Gegeneinander sondern ein Miteinander ist. Beim Einbringen des eigenen vollen Potentials entstehen allerdings Reibungen und Konflikte, die es miteinander zu verhandeln und in den Austausch zu bringen gilt – in Beziehung und letztlich auch mit der Demut, dass meine eigene Leistung, mein eigener Anteil auch Grenzen hat. Nur so können eine neue Qualität und hochwertige neue Ideen entstehen. Dysfunktional und häufig gar zerstörerisch ist es, wenn Menschen mit narzisstischem Stolz das Feld überlassen wird, die ohne Bezogenheit in rechthaberischer Manier mit Manipulation und Gewalt ihre Wahrheiten behaupten, um sich selbst zu stabilisieren.

Der Gedanke zum Thema kommt mir vor allem im Hinblick auf die Veröffentlichung meines Buches „Mut zu Inner Work“.

Zu einen habe ich in dem Prozess des Schreibens immer wieder die Auseinandersetzung mit meinem eigenen Stolz gehabt. Klaus Eidenschink formuliert in seinem Vortrag zur dritten Stufe des Stolzes: „Wer seine Anstrengungsfreude verliert, wenn es drauf ankommt, der hat Angst andere zu enttäuschen: Durch Misslingen oder durch Gelingen!“ Bei der Umsetzung des Buchprojektes schwang dieser Satz innerlich bei mir mit, obgleich ich ihn da noch gar nicht kannte. Das Eigene in die Welt zu bringen – so sichtbar, dass es auch in Konkurrenz und Vergleich geht – verlangt Mut. Der eigene Erfolg schafft potentiell auch Neider, Demütigungen – kurz, problematische Gefühle bei anderen. Der kraftvolle Stolz, der sein Bestes gibt, kann damit umgehen – und ist in der Lage, sachliche von unsachlicher Kritik zu unterscheiden – ohne in die Selbstabwertung oder die Selbsterhöhung zu gehen.

Zum anderen ist die Arbeit an Vermeidung von Anstrengungsbereitschaft und Erfolg ein Beispiel für „Inner Work“ – also den Inhalt meines Buches. In transformatorischer Arbeit im Coaching kann durch Inner Work z.B. an dem Hochstapler-Syndrom (Imposter-Syndrom)  gearbeitet werden, bei dem Menschen Ihr eigenes Potential nicht auf die Straße bringen, weil sie es für Hochstaplerei halten. Auf der Grundlage einer vertrauens- und authentisch-resonanzvollen Beziehung im Coaching kann mittels der Arbeit an Glaubenssätzen eine Nachreifung geschehen, die durch darauffolgendes mutiges Handeln zu neuen Erfahrungen des Stolzes führen. Im Buch gibt es sowohl ausführliche Beschreibungen zu den Beziehungsbedingungen in Transformationsprozessen als auch praktische Interventionstools, z.B. bei tiefsitzenden Grundannahmen.

 

Der Vortrag von Klaus Eidenschink (Video und Folien) zum Thema Stolz ist zu beziehen unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

 

Mein Buch gibt es hier:

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Und die auf der Grundlage entwickelten Produkte hier:

www.transformation-companion.de